Lässt sich die Situation eines Krieges, mit dem Ziel der
Vernichtung des Gegners, auf unser heutiges Wirtschaftsleben übertragen? Der
Feind von heute, kann bereits morgen der Verbündete sein oder der Markt zwingt
die Mitbewerber zusammenzuarbeiten, wie beispielsweise auf dem Gebiet der
Forschung. Hier denkt man an das Stichwort Coopetition, das für eine Strategie
der Kooperation von Wettberbern steht. Fraglich ist daher, ob die fernöstlichen
Militärstrategien in so einer globalisierten Wirtschaftswelt wirklich zum
Erfolg führen können.
Die Konzepte der Militärstrategie sind um einiges älter
als die der Unternehmungsstrategie. Es ist deshalb nahe liegend, Regeln und
Grundsätze aus dem Bereich der Militärstrategie unmittelbar auf die Unternehmung
zu übertragen. Einerseits erkennt die klassische
Managementlehre zwar die Herkunft der Strategie aus dem Bereich des
militärischen an, lehnt aber eine direkte Übertragung der militärischen
Strategien in das Wirtschaftsleben ab. Ein direkter Vergleich zeigt folgende Unterschiede
und Gemeinsamkeiten: Die Kriegslehre beschäftigt sich mit den Problemen der
Staatsführung, die durch militärische Mittel zu lösen sind, während Dreh- und
Angelpunkt der Managementlehre die produktiv tätigen Bereiche der Wirtschaft
sind. Die Kriegslehre gestaltet und lenkt militärische Einheiten und nicht
wirtschaftliche Unternehmensstrukturen. Auch die Ziele sind unterschiedlich: Im
Krieg geht es um das langfristige Überleben einer Populationsgemeinschaft und
der Wahrung von Eigenständigkeit oder Ausweitung des Einflussgebietes. Sie ist
je nachdem defensiv oder offensiv ausgerichtet. In der Wirtschaft sind die
Ziele eine langfristige Sicherung der Existenz eines produktiven sozialen
Systems, das sich in einem wechselnden Umfeld befindet, und die Erzielung
angemessenen Gewinns. Die Art der Problemlösung ist jedoch jeweils ähnlich,
denn im militärischen Bereich werden die Grundsätze und Handlungsanweisungen
aus der Analyse von Feldzügen und Gefechten gewonnen. Im Wirtschaftsleben
erfolgen die gültigen Erfolgsfaktoren aus der Analyse erfolgreicher
Unternehmen. Der Ansatz zur Übertragung militärischer Strategien auf die
Wirtschaft, bekannt unter dem Namen „Kriegslehrschule“, hat seine Anhänger im
Management und entsprechende Sachbücher tauchen immer wieder auf der Bestsellerliste
auf. Trotzdem ist dieser Schule mit Vorsicht zu begegnen, da erhebliche Unterschiede
zwischen der Zweckbestimmung und den Lebensgesetzen einer Unternehmung und
einer militärischen Institution bestehen. Unterschiede zwischen Militär- und
Unternehmensstrategie liegen auch darin, dass eine Militärstrategie immer
antagonistisch und ein Nullsummenspiel ist. Bei einer Unternehmung steht einem
Gewinn dagegen nicht immer zwangsläufig der Verlust eines anderen gegenüber.
Ebenso gibt es in der Wirtschaft die strategischen Ansätze der Coopetition,
die eine Zusammenarbeit der Wettbewerber bedingt. Ein solcher strategischer
Ansatz ist in militärischen Operationen undenkbar. Militärstrategie bezweckt
die endgültige Lösung, während ein Unternehmer sich eher in einer ununterbrochenen
und zeitlich unbegrenzten Konfliktsituation befindet. Der Krieg ist ein zeitlich begrenztes Vorhaben
und somit ein diskontinuierlich verlaufender Vorgang. Der
strategisch relevante Handlungsspielraum einer Unternehmung ist demgegenüber
zeitlich unbegrenzt. Ferner kann eine Militärstrategie stets nur als
Teilstrategie betrachtet werden, da sie nur ein untergeordneter Teil einer sachlich umfassenderen und zeitlich
stets weiterreichenden Staatsstrategie ist. Letztere hat daher eine größere Ähnlichkeit
mit der Unternehmungsstrategie als die Militärstrategie selbst. Obwohl
Wirtschaft und Krieg gemeinsame Elemente haben, sind sie dennoch
unterschiedliche Phänomene, aufgrund der ungleichen Kräfte, die sie antreiben,
und der Ergebnisse, die sie verfolgen. „Wirtschaftliches
Handeln zielt auf die Schaffung von Werten und Nutzen für die Gesellschaft,
Krieg, im Gegenteil hat keine Wertschöpfung. Durch die Abstraktion von Gedanken
aus beiden Gebieten verbinden sich diese wieder – zur Strategie.“
Sieht man von diesen Unterschieden ab, kann man durchaus einige Ansätze von Sun
Tzus und Musashis Werken im heutigen Wirtschaftsleben
verwenden. Die Autoren arbeiten die jeweils relevanten Punkte gut heraus. Kritikpunkte
an einer direkten Übertragung beider fernöstlicher Militärstrategen sind zuallererst
die glücklicherweise längst überholte Weltanschauung. Weiterhin sind einige
Dinge äußerst detailliert dargestellt und lassen so wenig Raum für sinnvolle
Interpretation. Kapitel 9 und 12 in Die
Kunst des Krieges sind operativ militärisch und deshalb für einen Manager
keineswegs von Nutzen. Denn er muss wohl kaum wissen, was bei einer Armee auf
dem Marsch oder dem Angriff durch Feuer zu beachten ist. Eine analoge Anwendung
scheint mir ferner sehr weit hergeholt. Bezüglich Musashi muss man die spirituellen
Elemente relativieren und sich auf die Kernaussagen konzentrieren. Betrachtet
man seine Ratschläge, kann man zur Erkenntnis kommen, dass vieles eigentlich
nur Folge des normalen Menschenverstandes ist und es
sich nicht um okkultes Geheimwissen handelt. Dennoch gibt es einige Grundsätze,
die durchaus ihre Verwendung im modernen Wirtschaftsleben finden können.