Kritik

Kritik an der Anwendung von Militärstrategie

Lässt sich die Situation eines Krieges, mit dem Ziel der Vernichtung des Gegners, auf unser heutiges Wirtschaftsleben übertragen? Der Feind von heute, kann bereits morgen der Verbündete sein oder der Markt zwingt die Mitbewerber zusammenzuarbeiten, wie beispielsweise auf dem Gebiet der Forschung. Hier denkt man an das Stichwort Coopetition, das für eine Strategie der Kooperation von Wettberbern steht. Fraglich ist daher, ob die fernöstlichen Militärstrategien in so einer globalisierten Wirtschaftswelt wirklich zum Erfolg führen können.

Die Konzepte der Militärstrategie sind um einiges älter als die der Unternehmungsstrategie. Es ist deshalb nahe liegend, Regeln und Grundsätze aus dem Bereich der Militärstrategie unmittelbar auf die Unternehmung zu übertragen. Einerseits erkennt die klassische Managementlehre zwar die Herkunft der Strategie aus dem Bereich des militärischen an, lehnt aber eine direkte Übertragung der militärischen Strategien in das Wirtschaftsleben ab[1]. Ein direkter Vergleich zeigt folgende Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Die Kriegslehre beschäftigt sich mit den Problemen der Staatsführung, die durch militärische Mittel zu lösen sind, während Dreh- und Angelpunkt der Managementlehre die produktiv tätigen Bereiche der Wirtschaft sind. Die Kriegslehre gestaltet und lenkt militärische Einheiten und nicht wirtschaftliche Unternehmensstrukturen. Auch die Ziele sind unterschiedlich: Im Krieg geht es um das langfristige Überleben einer Populationsgemeinschaft und der Wahrung von Eigenständigkeit oder Ausweitung des Einflussgebietes. Sie ist je nachdem defensiv oder offensiv ausgerichtet. In der Wirtschaft sind die Ziele eine langfristige Sicherung der Existenz eines produktiven sozialen Systems, das sich in einem wechselnden Umfeld befindet, und die Erzielung angemessenen Gewinns. Die Art der Problemlösung ist jedoch jeweils ähnlich, denn im militärischen Bereich werden die Grundsätze und Handlungsanweisungen aus der Analyse von Feldzügen und Gefechten gewonnen. Im Wirtschaftsleben erfolgen die gültigen Erfolgsfaktoren aus der Analyse erfolgreicher Unternehmen. Der Ansatz zur Übertragung militärischer Strategien auf die Wirtschaft, bekannt unter dem Namen „Kriegslehrschule“, hat seine Anhänger im Management und entsprechende Sachbücher tauchen immer wieder auf der Bestsellerliste auf. Trotzdem ist dieser Schule mit Vorsicht zu begegnen, da erhebliche Unterschiede zwischen der Zweckbestimmung und den Lebensgesetzen einer Unternehmung und einer militärischen Institution bestehen. Unterschiede zwischen Militär- und Unternehmensstrategie liegen auch darin, dass eine Militärstrategie immer antagonistisch und ein Nullsummenspiel ist. Bei einer Unternehmung steht einem Gewinn dagegen nicht immer zwangsläufig der Verlust eines anderen gegenüber. Ebenso gibt es in der Wirtschaft die strategischen Ansätze der Coopetition, die eine Zusammenarbeit der Wettbewerber bedingt. Ein solcher strategischer Ansatz ist in militärischen Operationen undenkbar. Militärstrategie bezweckt die endgültige Lösung, während ein Unternehmer sich eher in einer ununterbrochenen und zeitlich unbegrenzten Konfliktsituation befindet. Der Krieg ist ein zeitlich begrenztes Vorhaben und somit ein diskontinuierlich verlaufender Vorgang. Der strategisch relevante Handlungsspielraum einer Unternehmung ist demgegenüber zeitlich unbegrenzt. Ferner kann eine Militärstrategie stets nur als Teilstrategie betrachtet werden, da sie nur ein untergeordneter Teil einer sachlich umfassenderen und zeitlich stets weiterreichenden Staatsstrategie ist. Letztere hat daher eine größere Ähnlichkeit mit der Unternehmungsstrategie als die Militärstrategie selbst. Obwohl Wirtschaft und Krieg gemeinsame Elemente haben, sind sie dennoch unterschiedliche Phänomene, aufgrund der ungleichen Kräfte, die sie antreiben, und der Ergebnisse, die sie verfolgen. „Wirtschaftliches Handeln zielt auf die Schaffung von Werten und Nutzen für die Gesellschaft, Krieg, im Gegenteil hat keine Wertschöpfung. Durch die Abstraktion von Gedanken aus beiden Gebieten verbinden sich diese wieder – zur Strategie.“[2] Sieht man von diesen Unterschieden ab, kann man durchaus einige Ansätze von Sun Tzus und Musashis Werken im heutigen Wirtschaftsleben verwenden. Die Autoren arbeiten die jeweils relevanten Punkte gut heraus. Kritikpunkte an einer direkten Übertragung beider fernöstlicher Militärstrategen sind zuallererst die glücklicherweise längst überholte Weltanschauung. Weiterhin sind einige Dinge äußerst detailliert dargestellt und lassen so wenig Raum für sinnvolle Interpretation. Kapitel 9 und 12 in Die Kunst des Krieges sind operativ militärisch und deshalb für einen Manager keineswegs von Nutzen. Denn er muss wohl kaum wissen, was bei einer Armee auf dem Marsch oder dem Angriff durch Feuer zu beachten ist. Eine analoge Anwendung scheint mir ferner sehr weit hergeholt. Bezüglich Musashi muss man die spirituellen Elemente relativieren und sich auf die Kernaussagen konzentrieren. Betrachtet man seine Ratschläge, kann man zur Erkenntnis kommen, dass vieles eigentlich nur Folge des normalen Menschenverstandes ist und es sich nicht um okkultes Geheimwissen handelt. Dennoch gibt es einige Grundsätze, die durchaus ihre Verwendung im modernen Wirtschaftsleben finden können.

 



[1] Becker, Marketing-Konzeption, S. 139.

[2]Oetinger, Clausewitz - Strategie denken, , S. 5.



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Sun Tzu

„Wer als erster auf dem Felde ist und das Kommen des Feindes erwartet, der ist für den Kampf ausgeruht; wer als zweiter aufs Feld kommt und zur Schlacht eilt, der trifft erschöpft ein“
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